Ghyczy
Sweet Serenity - Gedanken zu meiner aktuellen Arbeit
Unsere Wahrnehmung ist größtenteils eine Illusion. Mich interessiert die Wirklichkeit, die "hinter" der rein visuellen Abbildung liegt. Deswegenhabe ich eine Bildsprache entwickelt, bei der sich die Darstellung
aufzulösen scheint. Wie das Abblättern von alten Farbschichten an einer Wand. Eine Patina, die das Fortschreiten der Zeit sichtbar macht. Verwitterungsschicht. Vergänglichkeit. Alles ist ständig im Wandel.
Unsere Gegenwart ist im besonderen Maße von Unsicherheit und Gefahr gekennzeichnet. Eine der möglichen Folgen davon, ist der Rückzug ins Private, der durch den Lockdown kollektiv verordnet wurde. Er findet jedoch ohnehin statt, da wir Vieles von Zuhause aus über das Internet erledigen können. Das Alleinsein kann auch als Luxus gesehen werden, den sich nicht jeder leisten kann. Sonnenlicht und viel Raum, darin üppige Vegetation und Zeit für sich selbst. Die Botanischen Gärten, Schwimmbäder oder
lichtdurchfluteten Räume sind für mich Sinnbilder des Verlangens nach einem idealen Ort. Vor allem in den Botanischen Gärten wird die Zeitlosigkeit sichtbar. Geschützt vor klimatischen Veränderungen, kann
sich die Vegetation frei entwickeln. Einem künstlichen Biotop gleich, als wären wir auf einem fremden Planeten. Für junge Menschen allerdings kann sich dieses in Innenräumen abspielende, scheinbar zeitlose Dasein, zu Überdruss und Langeweile führen.
Soziale Medien wie beispielsweise Instagram und Facebook kreieren eine fiktive Wirklichkeit, indem sie das äußere Erscheinungsbild beschönigen. Meine Sujets finde ich vor allem in der Bilderflut dieser Medien, die eine scheinbar kollektive Sehnsucht nach visueller Verführung hervorbringen. Sich dessen bewusst zu werden, bedeutet auch eine gewisse Ent-täuschung zuzulassen. Das kann zu einer möglichen Melancholie führen, der ich eine meditative und kontemplative Haltung entgegensetze. Wiederkehrende Motive in meinen Bildern sind daher Menschen, die an Orten des Rückzuges und der Besinnung lesen oder nachdenken, geschützt oder abgeschirmt durch Glas. Fensterscheiben als Lichtquelle, transparent und trennend in einem. Wobei sich die Frage stellt, was ist innen, was ist außen, und wer ist vor oder hinter dem Glas?
Mit einer gewissen Ästhetik und würdevoller Gelassenheit möchte ich der scheinbaren Unvermeidlichkeit der Illusion begegnen, sie gleichzeitig hinterfragen, ohne dabei auf ihrer glatten Oberfläche zu verharren.
Dénesh Ghyczy, März 2022